Trauerrede zum Begräbnis von Dr. Bernd Krolop am 12.04.2022

(Text von Dr. Larry Steindler, vorgetragen von Heinz K. Reuschenbach)

Dr. Bernd Krolop war – kurz gesagt –
Soziologe mit dem Herzen und
Philosoph mit dem Verstand.

Freundlich, einfühlsam und mit echtem Interesse wandte er sich an die Menschen, die er kennenlernte, als wollte er lebendige Hinweise für theoretische Einschätzungen sammeln. Die phänomenale Seite der menschlichen Erlebniswelt war für ihn dabei von hoher Bedeutung.

Beinahe regelmäßige Besuche der Braunkohletagebaugebiete führten Bernd zu persönlichen Begegnungen, aus den teilweise Freundschaften wurden.
Im Hambacher Forst sprach er mit Naturschützern, verschanzt in ihren Baumhäusern, ebenso wie in Lützerath mit Menschen, die sich mit dem künftigen Verlust ihrer vertrauten Umgebung bereits fast abgefunden hatten. Er war gerngesehener Gast bei den örtlichen Demonstrationen. Seine Suche nach authentischer und individueller Zeugenschaft von Alltagswelten führten ihn auch zu einer Landwirtsfamilie in der Umgebung. Er hat hier Lebensmittel eingekauft und wurde öfter sogar zum Essen eingeladen.

„Was soll man dazu sagen?!“
Damit leitete Bernd seine knappen Situationsanalysen ein, bewusst der Tatsache, dass es sich um Interessenskonflikte nahezu unauflösbarer Art handelte. Atomausstieg und Energiewende, Stichworte für außerordentliche wirtschaftspolitische Widersprüche, schaffen für die Menschen eine schwer ertragbare Wirklichkeit.
Die Frage nach Normen sowie den Abweichungen von diesen stellt sich daher immer wieder neu, und wie Menschen damit umgehen oder dies zumindest versuchen. Diese soziologisch interessierte Haltung führte Bernd mit großer Regelmäßigkeit auch nach Duisburg-Marxloh.

Hier bot sich Bernd eine völlig andere Szenerie:
Ein lebendiger Ort mit heruntergekommenen, aber auch wieder aufstrebenden Gegenden mit einem hohen „Ausländeranteil“, wie man allgemein sagt. Aufgrund seiner Neugierde und seines Interesses am persönlichen Gespräch entwickelten sich sogar wöchentliche Stammtischrunden vor Ort.
Bernd war jeglicher Dünkel fremd. Er hat die Menschen so genommen wie sie sind. Seine Schülerinnen und Schüler z.B. hat er gemocht und viele von ihnen sogar sehr geschätzt. Er sparte nicht mit Lob, vor allem, wenn es seine Überzeugung war, dass eine bestimmte Aussage oder Idee etwa mit Hilfe einer Buntstiftzeichnung besonders gut zum Ausdruck gebracht wurde. Seine begeisterten Schilderungen ließen vergessen, dass er eigentlich Lehrer für Deutsch, Philosophie und Religion war. Man hätte annehmen können, es handele sich um einen Kunstlehrer.
Sein Hauptaugenmerk bzw. seine grundlegende Einstellung lag jedoch darin, eine große wertschätzende Solidarität mit den Schülerinnen und Schülern zu pflegen. Aber bezeichnen wir dies lieber als seinen positiven „pädagogischen Ethos“.

Bernds Suche nach originellen Ideen wurden durch seine umfangreichen Kenntnisse auf den Gebieten Literaturwissenschaft, Sozialwissenschaft, Philosophie und evangelische Religion natürlich erschwert. Denn welche Einsichten oder Geschichten blieben noch übrig, die hinreichende Qualität, Tiefe und Relevanz aufzeigen, um über bekannte wissenschaftliche Erkenntnisse und literarische Prosa hinauszureichen?
Wo gab es noch solche bestechende Unmittelbarkeit, Klarheit, Bildhaftigkeit, die ihm vorschwebte?
Als harter Kontrahent in Diskussionen und außerordentlich belesen wie er war, blieb aus seiner Sicht nicht mehr viel für neue originelle Ideen übrig.
Kein Wunder, dass er in wiederkehrenden Veranstaltungen wie dem Himmelgeister Gespräch mit Karin Gisch und Wilhelm Riedel und vor allem im Café Philosophique als Mahner und Kritiker wahrgenommen wurde. Er war ein jahrelanger aktiver Begleiter, Mitgestalter des „Philosophischen Cafés“ hier in Düsseldorf. Dort haben wir ihn ganz besonders schätzen gelernt durch seine Moderation und Impulse zu allen philosophischen, kulturellen und gesellschaftlichen Themen.

Besonders ausgezeichnet hat ihn, sein profundes Wissen – ich möchte sagen – in allen Wissenschaften, aber auch besonders in der Interpretation von Liedtexten, hauptsächlich seiner geliebten Rockmusik. Es gab kaum einen Bereich, den er nicht zu kommentieren wusste, und zwar fundamental!
Dies sogar in stundenlangen Gesprächen außerhalb des „philosophischen Cafés“ und der Gespräche in Himmelgeist. Herzlichen Dank auch dafür, lieber Bernd!
Er informierte sich gerne über seine Fachgebiete hinaus. Geradezu glücklich berichtete er, wie ihm vor vielen Jahren ein Lehrerkollege aus der Mathematik den Algorithmus für das Aktual Unendliche nahegebracht hatte. Von der Idee einer über alle Bedingtheiten hinausgehenden Unendlichkeit blieb Bernd bis zuletzt fasziniert.

Er hatte deshalb immer wieder Motivation, selbst zur Feder zu greifen, um

  • Erlebtes als Kurzgeschichte aufzuschreiben oder
  • kulturelle Aktivitäten oder
  • ethnographisch interessante Riten oder Verhaltensweisen festzuhalten.

Er stellte dabei Einsichten aus der Forschung in neue Zusammenhänge und brachte vermeintlich Unergründliches und Unendlichkeiten in die Sphäre der Rationalität wie z.B. in seinem 2003 erschienen Buch „Magie, Mystik und Moderne“. Um den Umgang des Menschen mit dem Nicht-Alltäglichen und auch seine Suche danach zu illustrieren, erinnert Bernd in diesem Buch – seinem zweiten Buch nach der Dissertation -, an Nietzsche, Dostojewski und Musil und beeindruckt mit Szenen, die er auf seinen verschiedenen Reisen erleben konnte.

Ob Geisterbeschwörung in Papua-Neuguinea oder Mönchsweisheiten aus den sog. Athos-Klöstern am Berg Athos im Osten Griechenlands, für Bernd gehörten solche Grenzerfahrungen zu Formen „charismatischen Handelns“, die sich auf ein „hinterweltliches Dasein“ (entsprechend dem Religionskritiker Max Weber) bzw. auf Glaubensdinge beziehen.

Schon seine Doktorarbeit „Versuch einer Theorie des phantastischen Realismus. Aufgezeigt im Vergleich E.T.A. Hoffmann und Franz Kafka“ von 1981 zeigt sein außerordentliches Interesse eben an Phantasie und Grenzüberschreitungen, wenn auch aus unterschiedlicher Perspektive. Bernd selbst hätte gefragt: Ist ein größerer literarischer Gegensatz denkbar?

In unserer nüchternen, von Medien und Märkten beherrschten Kultur, finden magische oder mystische Handlungen natürlich verdeckt statt und deuten dennoch auf den Reichtum menschlicher Sinnproduktion hin. Bernd verbindet in seinem 2014 erschienenen monumentalen, fast 1000-seitigen Buch mit dem Titel „Fremdheit und Heimkehr – Individualität und Zusammengehörigkeit in der medialen Marktgesellschaft“ die Tendenzen individueller und sozialer Differenzierung mit zeitdiagnostischen Überlegungen in besonders nachdrücklicher Weise.
Unter der Erfahrung von Antagonismen wie Fremdheit und Heimkehr und vielen weiteren wesentlichen Gegensätzen stellt sich Bernd die Frage nach der individuellen Heimkehr, die letztlich auch die menschliche Spiritualität berührt, die Bernd zu ergründen und zu beschreiben versuchte in allen seinen Berührungen mit dem Mystischen.

„Das Wissen ist das Gedächtnis des Seins.“ so zitiert Bernd in seinem Werk (auf Seite 643), leicht abgeändert, den Philosophen Heidegger, den er, wie viele, überhaupt für einen der wenigen wirklich originellen Denker hielt. Denn dieser sei der Sprache auf den Grund gegangen und habe eine Fülle klarer und zum Teil unzureichend beachteter Erkenntnisse hervorgebracht. „Das Denken“ vergleiche Heidegger mit dem „Bauen an einem Schrein“ und der „Schatz der Bilder“, über den der Mensch verfüge, erweise sich als „erlebte Versammlung des Angedenkens“ (S. 642 in Bernds Buch; mit Bezug zu Heidegger Schrift „Was heißt Denken?“ von 1954).

Diese Stelle in Bernds voluminösem Buch erinnert erneut an seine eigene Suche nach authentischen Zeugnissen wie sich auch an seinen Ausflügen zu den Externsteinen zeigt, deren Funktion als alte Kultstätte nicht auszuschließen ist.
So auch seine Suche nach der möglichen Bundeslade bei seiner Reise zu den Mönchen in Äthiopien:
Eines Tages besuchte Bernd während seines Aufenthalts in Tigray in Äthiopien einen Abt, von dem es hieß, er wisse um den vermeintlichen Ort der legendären Bundeslade aus dem Alten Testament. Bernd berichtete, dass er ihn mit gebotener Vorsicht darauf angesprochen habe, und dass dieser tatsächlich „ganz verzaubert“ davon zu berichten begann. Bernd war sich der Bedeutung dieser Auskünfte bewusst und er hütete sich danach zu fragen, ob er denn mal schauen dürfe, denn das Versteck der Bundeslade wurde streng gehütet. Aber Bernd strahlte als er von dieser Sache berichtete, was zugleich seine reiche und offene Innenwelt widerspiegelt.

Aus allem Gesagtem und rückblickend aus allen Begegnungen mit Dir, lieber Bernd, bleiben wir, Deine Freunde, alle Lebensbegleiter, ebenso Deine Schüler und natürlich auch alle hier Anwesenden mit Dir verbunden.
Wertgeschätzt bleibst Du stets in unseren Herzen.

Kondolenz